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Pathologie

Allgemeine Pathologie

Die Pathologie, die „Lehre des Leidens“, beschäftigt sich mit den Ursachen und Entstehungsmechanismen von Krankheiten und der Morphologie, die die Organe in makro- und mikroskopischer Hinsicht bieten. Die Untersuchungen können nach dem Tod (post mortem) zur Feststellung oder Absicherung der Todesursache erfolgen , oder intravital entnommenes Gewebe kann einer histologischen Untersuchung zugeführt werden, die Aufschluss über das weitere therapeutische Vorgehen geben kann (Schnellschnitte von Karzinomen).

Die Pathologie ist auch ein wichtiger Grundbaustein der Lehre, indem sie dem Studenten ermöglicht, anhand sichtbarer Veränderungen ein Verständnis für verschiedene Krankheitsbilder zu entwickeln. Der Anatom Giovanni Morgagni schuf mit seinem fünfbändigen Werk „De sedibus et causis morborum“ (Vom Sitz und den Ursachen der Krankheiten) bereits im Jahr 1761 die Grundlagen für wissenschaftliche Forschungen auf dem Gebiet der Medizin.

 Technische Entwicklungen wie die Erfindung des Elektronenmikroskops 1934, Färbetechniken von histologischen Präparaten und Fortschritte in der Gentechnik haben die Pathologie auf ihren heutigen Stand gebracht.

Grundbegriffe der Pathologie

Gesundheit. Die WHO definiert Gesundheit als „Zustand des völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens“.

Krankheit. Ein Patient ist krank, wenn bei ihm ein physischer Defekt diagnostiziert wird. Wenn der Patient angibt, er sei krank, und man findet nichts, so liegt zumindest ein psychisches Problem vor.

Resistenz. Darunter versteht man die Abwehrbereitschaft des Organismus gegenüber einer Krankheit oder einer Noxe (schädigendes Agens).

Disposition. Damit wird die Krankheitsbereitschaft des Organismus bezeichnet, die genetisch oder durch Immundefekte gesteigert sein kann, auch das Alter spielt eine Rolle. Die Disposition ist also abhängig von der spezifischen und unspezifischen Resistenz.
Exposition. Der Organismus ist krankheitsauslösenden Faktoren ausgesetzt. Ätiologie. Die Lehre von den endogenen und exogenen Krankheitsursachen. Pathogenese. Verlauf einer Krankheit. Restitutio ad integrum. Völlige Wiederherstellung der betroffenen Organe. Defektheilung. Nach der Erkrankung bleibt ein Restschaden, der zu einem Leiden führen kann.

Symptom. Ein Krankheitszeichen.

Syndrom. Es bezeichnet ein für eine Krankheit typisches Symptomenmuster.

Morbidität. Zahl der Erkrankten in bezug auf die Zahl der Gesamtbevölkerung.

Mortalität. Zahl der Todesfälle in bezug auf die Zahl der Gesamtbevölkerung in einem bestimmten Zeitraum.

Letalität. Zahl der an einer Krankheit Gestorbenen in bezug auf die Zahl der Erkrankten.

Die Diagnostik

Diagnostik kann intravital durch Gewebeuntersuchungen (histologische, histochemische oder immunhistochemische Verfahren) oder postmortal durch die Obduktion erfolgen. Ziel der Obduktion ist, die Todesursache zu klären sowie die klinische Diagnose zu sichern.



Anpassungsreaktionen des Organismus

Die Reaktion des Körpers auf Umweltveränderungen bzw. eines Organs auf veränderte Reize wie Belastung, Stimulation oder Milieubedingungen bezeichnet man als Anpassungsreaktion. Viele dieser Reaktionen sind lebensnotwendig und müssen deshalb von den pathologischen Anpassungsreaktionen getrennt werden.

Alle Anpassungsreaktionen können mit zwei grundsätzlichen Reaktionsmustern erklärt werden:
Eine Abnahme der Zellleistung infolge fallender Anforderungen, schlechter Ernährung oder fehlender Stimulation der Zellen führt zur Atrophie (morphologisch: Zellverkleinerung und Zellreduktion).
Eine Zunahme der Zellleistung infolge steigender Anforderungen oder steigender Stimulation der Zellen findet sich bei Hypertrophie und Hyperplasie (morphologisch: Zellvergrößerung und Zellvermehrung).

Atrophie

Unter einer Atrophie versteht man eine reversible Organ- bzw. Gewebsrückbildung. Da diese Rückbildung erworben ist, unterscheidet sie sich von einer fehlenden Anlage (Agenesie), einer ausbleibenden Entwicklung (Aplasie) oder einer unzureichenden Entwicklung (Hypoplasie) eines angelegten Organs.

Fallende Anforderungen, schlechte Ernährung oder fehlende nervale oder hormonelle Stimulation sind Ursache einer Atrophie.

Als einfache Atrophie bezeichnet man die Gewebsrückbildung durch Verkleinerung der Zellen. Durch einen erhöhten Abbau oder durch eine reduzierte Neusynthese zytoplasmatischer Strukturen entsteht eine Verkleinerung und Reduktion der Zellorganellen. Die einfache Atrophie findet man in Gewebe mit sehr geringer Zellteilung (z.B. Hepatozyten) und in Gewebe ohne Zellteilung, z.B. Nervenzellen.

Unter numerischer Atrophie versteht man eine Gewebsverkleineerung durch eine Zellreduktion. Sie wird auch als Hypoplasie bezeichnet und betrifft Gewebe mit laufender Zellteilung, z.B. Enterozyten und Granulozyten. Die Proliferation der Stammzelle ist hier vermindert oder der Abbau reifer Zellen ist beschleunigt. Viele numerische Atrophien sind neben einem Zellverlust mit einer Zellverkleinerung verbunden.

Makroskopisch ist das betroffene Organ klein, histologisch sind die zellulären Strukturen vermindert. Die Atrophie kann man in physiologische und pathologische Atrophieformen gliedern. Sie können lokal oder generalisiert auftreten.

Physiologische Atrophieformen

Als Involution bezeichnet man die physiologische Organrückbildung, nachdem das Organ seine Funktion erfüllt hat. Das Thymusgewebe verringert sich bereits in der Pubertät, der Uterus atrophiert nach der Gravidität, die Milchdrüse nach der Stillzeit. Die rückläufigen Anforderungen im Alter bedingen eine Altersatrophie verschiedener Organe wie Gonaden, Knochen, Hirn, Herz, Leber und Haut.

Pathologische Atrophieformen

Generalisierte pathologische Atrophieformen

Die generalisierte Atrophie bei Unterernährung bezeichnet man als Marasmus. Neben Unter- und Mangelernährung sind gestörte Nahrungsaufnahme, mangelnde Nahrungsverdauung (Pankreatitis, chronische Darmentzündungen), Stoffwechselstörungen und Tumore weitere Gründe für eine generalisierte pathologische Atrophie

Lokalisierte pathologische Atrophieformen
Ischämische Atrophien entstehen nach Minderperfusion eines Gewebes, z.B. bei Arteriosklerose einer Nierenarterie entsteht eine Schrumpfniere.
Inaktivitätsatrophie resultiert aus Unterforderungen von Geweben, z.B. Muskelatrophie nach langer Bettlägerigkeit.
Druckatrophien entstehen, wenn Gewebe ständiger Kompression ausgesetzt werden.
Neurogene Atrophien entstehen nach Durchtrennung des versorgenden motorischen Nervs.

Hypertrophie und Hyperplasie

Eine Organvergrößerung aufgrund einer Zellvergrößerung des Parenchyms nennt man Hypertrophie.

Erhöhte funktionelle Beanspruchung, vermehrte hormonelle und nervale Stimulation führen bei Geweben, in denen Zellteilungen selten oder gar nicht vorkommen (permanente und stabile Gewebe) zur Zellvergrößerung des Parenchyms. Erhöhte Organleistung kann nur über eine Vergrößerung der Zellmasse der einzelnen Zellen erreicht werden. Die genannten Stimuli fördern anabole Syntheseleistungen auf zellulärer Ebene (vermehrte Bildung von Zytoplasmakomponenten), während katabole Prozesse (z.B. zytoplasmatische Proteolyse) vermindert ablaufen. Die geforderte Zelle gewinnt so an Masse und damit an Leistungsvermögen.

Hypertrophierte Organe erscheinen makroskopisch vergrößert und sind schwerer als normal. Histologisch sind ihre parenchymatösen Zellen groß durch einen Anstieg zytoplasmatischer Organellen (endoplasmatisches Reticulum und Mitochondrien) und auch durch Zunahme des Kernmaterials.

Beispiele
Hypertrophie des Skelettmuskels. Die Stimulation durch Training führt zur Hypertrophie. Die kontraktilen Filamente und die Zellorganellen vermehren sich, die Muskelzelle wird dicker.
Leberhypertrophie. Länger dauernde Barbiturateinnahme oder Drogenintoxikation führen zu einer Leberhypertrophie. Diese Substanzen werden in der Leber am glatten endoplasmatischen Retikulum metabolisiert, das dabei vermehrt wird und zur Hypertrophie führt.

Die Zunahme der Organgröße durch eine Zellvermehrung der Parenchymzellen heißt Hyperplasie.

Wie bei der Hypertrophie sind steigende Anforderungen und erhöhte neuronale oder hormonelle Stimulation Ursachen der Hyperplasie. Eine gesteigerte Proliferation der Stammzellen des Gewebes oder ein verminderter Abbau reifer Zellen führt zur Zellvermehrung. Hyperplastische Gewebe erkennt man an einer Erhöhung der parenchymspezifischen Zellzahl.

Beispiele

Hyperplasie des Knochenmarks. Höhenaufenthalte, Lungenerkrankungen oder Blutverluste vermindern den Sauerstoffgehalt im Blut. Daraufhin wird in der Niere vermehrt Erythropoetin gebildet, welches die Stammzellen des Knochenmarks zur Teilung anregt (Hyperplasie) und ihre Differenzierung zu Erythrozyten fördert. Dabei kann knochenmarkumgebendes Fettgewebe dem reaktiv hyperplasierten roten Knochenmark weichen. Ebenso kommt es im Verlauf von Entzündungen durch Interleukine aus Makrophagen und Granulozyten zur myeloischen Hyperplasie mit rotgrauer Verfärbung des Knochenmarks.

Hyperplasie der Nebenschilddrüse. Ein hoher Serumkalziumspiegel hemmt die Aktivität der Nebenschilddrüse (NSD). Bei chronischen Nierenfunktionsstörungen kommt es zur verminderten enteralen Resorption von Kalzium und zur Aktivitätssteigerung der NSD (sekundärer Hyperparathyreoidismus). Histologisch ist eine Vermehrung der hellen Hauptzellen sichtbar (Anpassungshyperplasie). Das vermehrt produzierte Parathormon führt über eine Osteoklastenaktivierung zur verminderten Mineralisation der Knochenmatrix und zu einer Bindegewebsvermehrung der Spongiosa. Zusammenfassend bezeichnet man diese Veränderungen als renale Osteopathie.

(Auszug: Skriptum: Dr. Johannes WINKLER, Allgemeine Pathologie, Einleitung. 2009 c )